Das Bock im Blick – von Sprache und Sprüchen

Das Einbecker Brauhaus aus der kleinen gleichnamigen Stadt am Rande des Harzes datiert den Beginn der Bockbiertradition ziemlich genau auf 1378. In Erinnerung an dieses für Hopfenfreunde bedeutsame Jahr legt die Brauerei sogar ein eigenes Bier auf, das „Ainpöckisch 1378“. Nanu, was ist denn das für eine merkwürdiger Name? Er geht auf einen Ausspruch Martin Luthers zurück, ein eigensinniger Mann mit eigensinniger Aussprache aber mit Ahnung vom Bier. Er lernte das „ainpöckische“ Bier im Jahr 1521 auf dem Reichstag in Worms kennen, wo der Kaiser von ihm verlangte, seine Thesen zu widerrufen, was Luther bekanntermaßen verweigerte. Aber das Einbecker Bier musste noch eine viel weitere Reise zurücklegen, als der „bockige Mönch“, bis es zum „Bockbier“ wurde.

Bierselige Hanseaten

Im ausgehenden Mittelalter waren Hamburg, das sogenannte „Brauhaus der Hanse“, sowie Wismar mit seinem anerkanntermaßen hervorragendem Bier, marktbeherrschend. Während Hamburg bis in die Niederlande exportierte, versorgte Wismar den gesamten Ostseeraum. Bei der Verbreitung ihrer Biere waren den großen Hafenstädten natürlich ihre Schiffe behilflich. Für kleinere Städte im Inland war das Erschließen von Vertriebswegen natürlich beschwerlicher. Aber auch das niedersächsische Einbeck gehörte zur Hanse, und obwohl die Stadt deutlich kleiner war, konnte sie bei der Bierproduktion mit den großen norddeutschen Konkurrenten durchaus mithalten. Den 700 Braustätten, die sich infolge geschäftsfördernder Bürgerrechte im 14. Jahrhundert in Einbeck etabliert hatten, standen weniger als 500 Hamburger Brauer gegenüber. Ein weiterer Vorteil der niedersächsischen Mitbewerber war, dass ihr Bier durch Hopfung deutlich haltbarer wurde.

Vertrieb ist alles!

Die findigen Einbecker lieferten ihr Bier entlang der Handelswege der Hanseaten ab dem 15. Jahrhundert fast in das gesamte Reichsgebiet. Daher konnte die Stadt Wittenberg dem Professor Luther anlässlich seiner Hochzeit im Jahre 1525 auch ein Fass des Einbecker Bieres übereignen, das er einige Jahre zuvor in Worms kennen- und schätzen gelernt hatte.

Martin Luther (gemalt von Lucas Cranach)

Auch bei traditionelleren Vertretern der Geistlichkeit war das Bier aus Einbeck allerdings sehr beliebt. Das zeigt einer der satirischen Dunkelmännerbriefe des angehenden 16. Jahrhunderts, in denen einer der humanistischen Verfasser als (angeblicher!) Theologe aus Leipzig berichtet. Man habe, so der satirisch verfremdete Verfasser, im Zuge eines „Aristotelischen Schmauses“ große Mengen Einbecker Bieres vertilgt. Obwohl die meisten Vorfälle, die in den sogenannten Dunkelmännerbriefen geschildert werden, nicht stattgefunden haben, sind sie in solchen Details durchaus ernst zu nehmen – Satire funktioniert schließlich nur, wenn die Wirklichkeit aus ihr wiedererkennbar ist. Man kann also davon ausgehen, dass Einbecker Bier zu Beginn des 16. Jahrhunderts zum einen in Leipzig üblich, als auch in Köln, wo der Empfänger der satirischen Schriften lebte, bekannt und im gesamten Reichsgebiet, an dessen gebildete Schicht sich die Dunkelmännerbriefe richteten, durchaus verbreitet war.

Wie der Bock nach Bayern kam

Maximilian I. von Bayern (gemalt von Joachim von Sandrart)

Die Herzöge von Bayern ließen sich sogar regelmäßig mit dem Bier vom Harzrand beliefern, bis sie Ende des 16. Jahrhunderts auf die Idee kamen, sich ein eigenes Brauhaus direkt vor die Tür zu stellen. Der erste Braumeister dieses sogenannten „Hofbräuhauses“ hatte sein Handwerk in der Hallertau gelernt, einem Landstrich, mit dem jeder Hopfenfreund vertraut sein sollte.

Einige Jahre experimentierte man am Hofbräuhaus mit Braunbier und Weißbier, bis der energische Herzog Maximilian genug hatte von der Herumprobiererei und sich einen Braumeister aus Einbeck kommen ließ. Dieser Elias Pichler übernahm im Jahre 1614 die Braukessel im Münchener Hofbräuhaus und produzierte dort Bier nach Einbecker Art. Bei der Bestellung am Tresen verformten durstige bayerische Kehlen die Order „Ein Einbecker!“ rasch zu „Oan Bock!“ und das Bockbier war geboren.

Quellen

Martin Luther und das Bockbier: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kultur/oktoberfest-martin-luther-und-das-bockbier

Einbeck in Handel und Hanse: Heinz Stoop: Die Hanse, Verlag Styria

„Dunkelmännerbriefe. Epistolae obscurorum virorum an Magister Ortuin Gratius aus Deventer“, heruagegeben von Karl Riha, Insel Taschenbuch 1297, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1991

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